Winter – Stille & Rückzug

Nachdem der Herbst im Überschwang in den Farbtopf der Natur griff, wird es jetzt langsam ruhiger. Der graue November kommt mit Nebelschwaden ins Land und plötzlich sehe ich viele altbekannte Dinge aus einer anderen Perspektive. Laut kreischend sitzen Schwärme schwarzer Krähen auf den Feldern und jeglicher Sonnenstrahl gewinnt an Bedeutung. Neue Blickwinkel auf Altvertrautes zeigen an, dass die Zeit des Rückzugs und der Einkehr beginnt. Auch die Schreibfreundinnen machen sich Gedanken zu ihrer Sichtweise auf diese Jahreszeit.

4 Jahreszeiten Liebhaberin

Ich bin bekennende 4 Jahreszeiten-Liebhaberin. So schön es ist, in sonnigen Gefielden am Meer zu urlauben, ich kann und will mir nicht vorstellen, dass mir die heiße Sonne 365 Tage im Jahr auf den Buckel brennt. Dass ich mich das ganze Jahr über auflöse und das Gefühl habe, mein Hirn rinnt mir davon.

Ab 26 Grad aufwärts kannst du mich komplett vergessen, denn seit den berühmt berüchtigten Wechseljahren schwindet meine Energie rasant aus jeder Pore, aus der mein Körper im verzweifelten Versuch des Hitzeausgleichs transpiriert. Aus der Tatsache, dass ich es hasse zu schwitzen, lässt sich folgern, dass mir winterliche Temperaturen wesentlich mehr liegen.

Einzige Chance für Layering

Es ist die einzige Jahreszeit, in der auch ich ein paar Schichten übereinander anziehen kann (zumindest wenn ich nach draußen gehe) und modisches Layering wieder einen neuen Stellenwert bekommt. Auch wenn der Winter jene Jahreszeit ist, die ich ob der Trübe am wenigsten mag, gibt es doch einige positive Aspekte, die ich ihm abgewinnen kann.

Es ist traumhaft schön, wenn du morgens aus dem Fenster blickst und die Welt in einer Schneelandschaft versinkt. Alles ist leise und gedämpft und mutet an wie in einer Märchenwelt. Fällt die Sonne auf die Schneedecke, so glitzert und funkelt die weiße Pracht.

Ich erinnere mich an Zeiten, in denen wir noch Schifahren gingen und die winterliche Landschaft in den Bergen genossen (damals war mir allerdings noch ständig kalt und ich hatte oftmals eingefrorene Zehen. Das war dann auch nur bedingt lustig, doch aufgrund verschiedenster Umstände gaben wir diese Sportart bereits vor Jahrzehnten auf).

Seltenes Vergnügen

Wenn ich mich an den Winter des Vorjahres erinnere, so hatten wir oben erwähnte Bedingungen genau einmal in Wien. Es ist ein wahrlich seltenes Vergnügen. Wir machten uns auf zur Hunderunde und die beiden Tibeter stoben durch den Schnee. Beim Heimkommen, konnten sie sich kaum mehr rühren, weil sie so viele Schneeklumpen im Pelz hatten, dass ich diese in der Dusche zuerst schmelzen musste, um sie zu entfernen.

Doch das ist weniger schlimm, als die Tatsache, dass in Wien, wie auch anderswo, massenhaft Salz gestreut wird. Als Hundebesitzerin ist das echt nicht lustig, zumal die Räumungsdienste gedankenlos bis an den äußersten Gehsteigrand gefühlt kiloweise Salz ausleeren. Da werde ich schon mal aggressiv, denn ich komme nicht nach, die kleinen Pfoten zu putzen, die nach drei bis vier Schritten wieder jaulend hochgehalten werden. Und es sind insgesamt acht Pfoten, die es zu putzen gilt!

Abgesehen davon, ist die Schneepracht in der Stadt nie von langer Dauer. Das bedeutet: innerhalb kürzester Zeit liegt nur mehr grauer Matsch auf den Straßen. Kleine Hunde mit kurzen Haxen und langen Haaren müssen somit dreimal am Tag unter die Dusche. Da sich das Bad im 1. Stock befindet, komme ich beim Rauftragen des nassen Bündels auch da mehrmals täglich ins Schwitzen.

Kuschel-Zeit

Ich meide lärmende große Weihnachtsmärkte, auf denen du von einem Stand zum anderen geschoben wirst. Meist schaffe ich es grade mal auf einen kleinen, wenn überhaupt. Auch das Weihnachtsbrimborium selbst geht an mir vorüber, zumindest in den letzten Jahren war es so. Bei mir gibt es keinen Christbaum, ich schaue mir lieber die noch lebenden Bäume im Wald an, statt nach zwei Wochen ein rieselndes Gerippe zu entsorgen.

Ich liebe es, ein gutes Buch zu lesen, mich in eine flauschige Decke zu kuscheln und nicht auf die Uhr sehen zu müssen. Und als besonderes Highlight (da ich es sehr selten mache) gebe ich mich dem einen oder anderen Serien-Marathon hin oder schaue mir einen kitschigen Weihnachtsfilm an.

Fitness zum Nulltarif

Der Winter bietet allerdings auch Fitness zum Nulltarif, das sehe ich als Vorteil. Da ich in einem Reihenhaus lebe, gilt es, bis spätestens 6.00 h den Gehsteig zu räumen. Da das nasskalte weiße Etwas in Wien ohnehin so selten vorkommt, kümmern wir uns um die Schneeräumung selbst und lassen den nachbarlichen Teil auch gleich mitspringen (unsere Nachbarin ist bereits 82 Jahre alt). So haben wir immer wieder die Gelegenheit tagsüber Frischluft zu tanken und ein paar Zusatzkalorien zu verbrauchen.

An Sonnentagen nütze ich jede Gelegenheit für einen winterlichen Walk, denn es hat einen belebenden Reiz, sich in der klaren, kalten Luft zu bewegen. Sind die nahegelegenen Felder dann auch noch verschneit, so gebe ich mich sehr bewusst diesem meist kurzen Vergnügen der weißen Pracht hin.

Zeit des Rückzugs

Danach ziehe ich mich mit einer dampfenden Tasse Tee zurück und genieße das ganz eigene Flair im Dachgeschoß, das entsteht, wenn die Dachflächenfenster zugeschneit sind. Ich gebe mir – je nach Stimmung und Bedürfnis – anregende Düfte ausgewählter ätherischer Öle in meinen Diffusor und genieße die aufkommende Stimmung der Einkehr.

Ich schreibe im Dezember meinen Jahresrückblog und erstelle nun zum zweiten Mal für meine Mutter ein Fotojahrbuch (das habe ich etabliert, seit Mama vor zwei Jahren bei uns einzog. Für einen alten Menschen haben Fotos auf Papier einen völlig anderen Stellenwert als die digitale Variante). Für mich ist diese Beschäftigung bewusste Zeit der Dankbarkeit für gemeinsame, unwiederbringliche und möglicherweise bereits gezählte Momente.

Es ist höchst spannend, Ereignisse nochmals Revue passieren zu lassen und zu überprüfen, welchen Stellenwert sie aus heutiger Sicht für mich haben. Die Winterzeit ist für mich die Zeit des Rückzugs, der Einkehr, des Reflektierens über das Jahr. Es folgt die Zeit der Rauhnächte und diese werde ich auch heuer zelebrieren.

Diese Zeit der Stille gewinnt immer mehr an Bedeutung und dennoch freue ich mich, wenn ich mir zu Beginn des neuen Jahres bewusst mache, dass die Tage nun wieder länger werden.


Hier kannst du lesen, wie die anderen Schreibfreundinnen zum Winter stehen. Bestimmt sind die Ansichten völlig unterschiedlich!

Christine

Claudia

Marion

Alex

Susanne

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