Von St. Aegyd nach Gscheid – Etappe 4

Wanderin mit den Schuhen in der Hand

Meine Heldinnen-Reise nach Mariazell (Teil 5/7)

Am heutigen Tag denke ich nicht über Aufgeben nach. Es ist die kürzeste Etappe auf meiner Heldinnen-Reise nach Mariazell, morgen schaut es da schon etwas anders aus. Doch wir haben einen geruhsamen Nachmittag eingeplant, um unseren geschundenen Körpern etwas Auszeit zum Kräftetanken zu gönnen…

Du kannst übrigens diesen Tag meiner Heldinnen-Reise nach Mariazell auch im Rahmen von 12 von 12 im September miterleben. Das ist meine lieb gewordene monatliche Fotodokumentation des jeweiligen 12. des Monats in 12 Bildern.

Tagesziel

von St. Aegyd am Neuwalde nach Gscheid

  • Wegstrecke 10,5 km
  • höchster Punkt 1.010 m
  • niedrigster Punkt 630 m
  • Dauer 2:36 Stunden
  • ∅ Geschwindigkeit 4,1 km
  • ↖︎ 390 m
  • ↘︎ 10 m

Tourenprofil

erstellt von ©komoot

Heute nehme ich mir nach der Dusche ausgiebig Zeit, um meine Füße gut vorzubereiten. Jede Stelle, an der nur ansatzweise eine Blase entstehen könnte, wird versorgt. Gestern Abend noch rieb ich die Beine ausgiebig mit Fußbalsam ein, doch jetzt am Morgen lasse ich diesen Schritt weg, damit die Blasenpflaster und das Tape gut halten.

Füße, die mit Pflaster und Tape verklebt wurden, um Blasen möglichst auszuschalten

Der heutige Tag ist die kürzeste Etappe meiner Heldinnen-Reise nach Mariazell, beinhaltet allerdings einen ziemlichen Anstieg auf den Gscheid. Am Nachmittag gönnen wir unseren geschundenen Körpern ein bisschen Auszeit, damit wir morgen fit sind für den Endspurt.

Es erwartet uns ein liebevoll angerichtetes, sehr reichliches Frühstück. Außer uns nächtigten noch zwei weitere Paare hier, die mit dem Rad unterwegs sind. Bei regem Erfahrungsaustausch verfliegt die Zeit rasch und unser Aufbruch naht. Für die kurze Etappe brauchen wir keinen Proviant, es reicht uns der Getränkevorrat.

Los geht’s!

Wir packen unsere Sachen und nun kommt der täglich spannendste Moment: das Anziehen der Schuhe. Erst beim Anziehen merke ich nämlich, wie hoch der Schmerzlevel ist und wie relaxed ich los starten kann.

Das akribische Verkleben allfälliger Problemstellen trägt Früchte! Im Moment kann ich mich noch relativ entspannt in den Schuhen bewegen. Da heute nicht viele Bergabstrecken auf uns warten, könnte es sogar bis zu unserem Ziel so bleiben! Ich schicke mal ein kurzes Stoßgebet nach oben!

Wir verlassen das idyllische St. Aegyd und unterhalten uns angeregt. In den gepflegten Gärten holen wir uns so manche Anregung für unseren grünen Daumen. Der idyllische Weg führt zuerst durch den Ort und dann auf einer asphaltierten Straße in den Wald.

Kleidung

Nach einer Stunde merke ich den Unterschied zum Vortag bei meinem Shirt. Obwohl ich ein ärmelloses Teil trage, komme ich ins Schwitzen und fühle mich überhaupt nicht wohl. Ich wechsle wiederum zu meinem Ortovox Oberteil, das ich mittlerweile heiß liebe. Es ist atmungsaktiv, mit Merinowolle hergestellt und riecht auch am dritten Tag noch nicht. Trotz körperlicher Höchstleistung!

Ich habe das nicht für möglich gehalten. Wiederum ein Learning: 2-3 aus hochwertigen Materialien hergestellte Kleidungsstücke reichen bei einer solchen Tour vollkommen aus – wenn ich das bloß früher gewusst hätte!

Mittlerweile schultere ich echt gekonnt meinen Rucksack: rauf aufs Knie und hopp auf den Rücken. Hüftgurt platzieren (und die Wanderhose gleichzeitig damit fixieren), dann die Schultergurte anziehen. Wir sind richtig zusammengewachsen in diesen Tagen – es fühlt sich bereits gewohnt an und ich weiß genau, wo der Hüftgurt sitzen muss. In den ersten beiden Tagen war er zu weit oben.

Der Anstieg

Bald erreichen wir den Wald und werden ein Stück von einem Eichkätzchen begleitet. Neben uns fließt ein kleines Bächlein, wir genießen das Gluckern sowie die durch die Bäume fallenden Sonnenstrahlen. Es ist ausgesprochen idyllisch und ruhig hier!

Schließlich jedoch beginnt der Anstieg und wir brauchen all unsere Luft zu Schnaufen. Gott sei Dank ist der Weg noch im Schatten, nachmittags wäre das kein Spass mehr gewesen!

Ich stelle mir vor, ich bin eine Maschine, die langsam aber stetig den Berg hinauf rollt. Gelegentlich muss ich Pause machen, doch wir kommen heute relativ rasch voran. Bekommen wir Wanderroutine?

Heldinnen-Feeling

Zwischendurch fragen wir immer wieder mal unsere Wäg-Tussi nach ihrer geschätzten Meinung, damit wir uns die Kräfte einteilen können. Es dauert gar nicht lange und wir haben den anstrengendsten Teil hinter uns. Wir sind schon sehr coole #hikinggirls, am höchsten Punkt überkommt uns richtiges Heldinnen-Feeling!

Schließlich erreichen wir das Ende des Waldes und verschnaufen kurz neben dem Pilgerbaum. Zahlreiche Wallfahrer haben hier ihre Botschaften verewigt. In gewisser Hinsicht fesselt mich dieser Baum. Das Bild hat sich eingeprägt – ich liebe dieses Foto. Euphorisch verfassen wir wieder eine Erfolgs-Videonachricht und dann geht’s weiter.

Doch auch heute ist eine Pause gar nicht so gut, das Anmarschieren danach kostet viel Kraft und Überwindung. Unser Ziel vor Augen gehen wir zügig (naja eigentlich wäre schleppend der passendere Ausdruck 😩) die letzten Meter bis zum Gschoadwirt.

Emotionen

Mittlerweile stapfen wir entlang der Straße. Immer wieder brausen Motorradfahrer an uns vorbei. Mir wird plötzlich sehr schwer ums Herz. Ich kann nicht anders, ich muss ein paar Tränen vergießen, da mich eine sehr emotionale Welle überrollt. In meinem Innersten weiß ich, dass Alex hier ebenfalls bereits war.

Die kurvenreiche Strecke ist beliebt bei den Motorradfreaks. Es ist nicht weit weg von Wien und der Gschoadwirt ist ein bekannter Biker-Treff. Immer wieder drängt sich Alex Ausspruch auf: „Mir wäre lieber gewesen sie hätten mich vom Motorrad geklaubt, als dass ich an Krebs sterbe!“

Der Gschoadwirt

Für viele Pilger ist der Gschoadwirt die letzte Station vor der letzten Etappe nach Mariazell. Es ist somit kein Wunder, dass wir nur mehr ein Doppelzimmer reservieren konnten. Das Lagerleben ist einfach nicht unser Ding!

Man sagt, dass Wandern und Entschleunigen macht den Kopf frei. Hier oben gibt es ausschließlich A1-Empfang, jegliche Kommunikation erfolgt andernfalls über WLAN und Whats App.

Als Beatrix ihr Smartphone neu starten will, zeigt sich, dass die letzten Tage bereits Früchte trugen. Ein vorübergehendes Blackout verhindert die Eingabe des richtigen Pin-Codes, doch ein paar Stunden später spuckt das Hirn die richtigen Daten wieder aus. Schon interessant, was in unseren Köpfen mitunter so ab geht!

Erfahrungsaustausch mit den Profis

Im Laufe des Nachmittags trifft eine mehrköpfige Pilgergruppe ein, die mit Begleitfahrzeug unterwegs ist. Wir holen uns letzte Tipps für den morgigen Tag, viele der Wallfahrer machen diese Strecke bereits zum wiederholten Mal. Natürlich ist es um vieles einfacher, wenn du den Rucksack nicht schleppen musst. Kurz überlegen wir, ob das beim nächsten mal eine Option für uns wäre. Doch wir entscheiden uns letztlich dagegen. Wenn schon, denn schon!

Am Nachmittag besucht uns ein ganz reizendes Paar, alte Bekannte von Beatrix, die in St. Aegyd einen Zweitwohnsitz genießen. Für angeregte Unterhaltung über mehrere Stunden ist gesorgt. Zu guter Letzt laden sie uns dankenswerter Weise auch noch zum Essen ein!

Kurze Nacht

Beatrix und ich entspannen uns noch eine Weile in der Abendsonne und richten dann alles für den morgigen Tag her. Es wird eine kurze Nacht, denn wir bestellen das Frühstück für 6.00 h. Um 6.30 h wollen wir starten, wer weiß wie viele Pausen wir einplanen müssen. Für Nachmittag ist Gewitter prognostiziert, wir wollen mittags in Mariazell eintreffen.

Zwei Frauen planen im Bett liegend die nächste Etappe

Teil 4/7: von Rohr im Gebirge nach St. Aegyd am Neuwalde – Etappe 3

Teil 6/7: von Gscheid nach Mariazell – Etappe 5

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner