Das ALTE ist noch nicht weg, das NEUE noch nicht da

Zu jedem Monatsbeginn gibt es im virtuellen Kiosk einen neuen Artikel der Schreibfreundinnen. Damit ich diesen Termin auch wirklich einhalte, steht er jeweils am 28. als Erinnerung in meinem Kalender. Mein Sohn Alex prägte den Satz: „Ich habe solange ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem habe.“

In freudiger Hoffnung, dass mich endlich meine Muse küsst, musste ich dieser Tage häufig dran denken. Diesmal stand am 28. jedoch noch ein weiteres Ereignis an, das meine Zeit im positivsten Sinn in Anspruch nahm. Ein sehr persönliches, das sich jährlich wiederholt. Mein Geburtstag.

Faule Ausreden

Ich bin ein Mensch, der sich immer wieder gewisse – für mich persönlich – markante Zeitmarker setzt. Irgendwie brauche ich das für meine innere Ordnung, um mir selbst für ein bestimmtes Vorhaben einen Startschuss zu geben oder auch die Zielflagge zu schwenken. So wie im Vorjahr bei meinem Projekt #FM60.

Gerade eben stellte ich jedoch fest, dass es sich dabei nur um Ausreden handelt. Ehrlich gestanden, verschafft sich mein innerer Schweinehund schlichtweg nur einen Spielraum, nicht gleich eins über die Rübe zu bekommen. Ich bin sehr inkonsequent bei seiner Erziehung. Selbst die Tibeter wissen, dass man das Frauli nur lange genug zuckersüß anschauen muss, damit das Leckerli doch in das begierige Mäulchen wandert. Interessante Erkenntnis…

Version 61.0

Irgendwann ist jedoch auch bei mir Schluss mit lustig. Dann wird es ernst, selbst wenn’s unbequem ist. Das ALTE ist noch nicht weg, das NEUE noch nicht da.

Den Zeitraum bis dahin nütze ich zur Analyse und entwickle Strategien für jene Lebensbereiche, in denen ich etwas verändern möchte. So lange, bis ich mein persönliches Warum gefunden habe.

Letztendlich geht es immer nur um den ersten ernsthaften Schritt zur Veränderung. Zeitgerecht folgt dann jeweils das nächste Update.

Liebevolle Annahme

Gerade der Geburtstag ist ein markanter Meilenstein für Veränderung und Erneuerung (zumindest bei mir ist das so, ebenso wie der Jahreswechsel). Ich lernte im letzten Jahr im Rahmen meines Projekts #FM60, dass körperliche Veränderung ein Symbiose von Körper, Geist und Seele ist. Die Voraussetzung ist immer liebevolle Annahme.

Warum mir das gerade in der derzeitigen Phase so schwer fällt? Noch bin ich am Ergründen, doch ich weiß: das ALTE ist noch nicht ganz weg und das NEUE noch nicht da. Seit einem Todesfall im engsten Freundeskreis letzten Monat, schwächelte ich in Form von Krankheit, noch nicht wiedererlangter Kondition und einer nahezu furchterregenden Zuckersucht.

Ein „emotional impact“ kann in die positive wie auch negative Richtung eine plötzliche, einschneidende Veränderung auslösen. Wiederum heißt es Hinzuschauen und die Scherben meines Lebens-Kintsugi neu zu sortieren.

Platz, Sweety!

Mein innerer Schweinehund steht vor dem Regal mit den alten Glaubenssätzen und verteidigt sie mit Zähnen und Klauen. Ist ja viel gemütlicher und einfacher, das waren wir mittlerweile alles gewohnt! Warum also den neuen Weg weiter gehen? Da heißt es jedesmal aufpassen und wachsam sein. Ständig Energie aufwenden, das ist wahrlich ungemütlich!

Alte Gewohnheiten und Glaubenssätze sind wie Kleister. Sie kleben an dir und du wirst sie so schnell nicht los, eben weil du nicht mehr drüber nachdenken musst. Unser Gehirn ist ein unglaublicher Optimierer. Ständige Achtsamkeit ist angesagt, Voraussetzung ist ein positives Minddesign gegenüber dem Neuen. Das ALTE ist noch nicht ganz weg, das NEUE noch nicht da.

Liebevolles Minddesign

Ich plane die schrittweise langfristige Veränderung lebensbejahender, positiver Gewohnheiten diesmal nicht nur bis Jahresende. Ich lernte, dass ich mit mir Geduld haben darf, dass sich Paradigmen nicht innerhalb von sechs Monaten auflösen lassen. Das braucht Jahre.

Es bedarf der Bereitschaft des Hinabtauchens in die Tiefen des Unterbewusstseins. Es ist nicht immer schön, was da ans Tageslicht dringt. Erst einmal dürfen diese Scherben von einem veränderten Gesichtspunkt aus betrachtet werden. Dann sortiert, angenommen, möglicherweise neu positioniert oder doch lieber ausgemistet. Das bedarf ständiger Wiederholung in Form eines maßgeschneiderten Minddesigns.

Challenge #wasgehtbis65?

Diesmal starte ich ein langfristiges Projekt, meine neue persönliche Challenge #wasgehtbis65? Ich lasse mich überraschen, wie weit ich meine Luxuskarosse auf den verschiedensten Ebenen aufpolieren kann, fülle ihr bewusst den besten Treibstoff ein, gehe regelmäßig zum Service und lasse sie von Fachleuten immer wieder mal durchchecken.

Ich möchte, dass sie so lange wie möglich funktioniert, denn ich kann mir in diesem Leben keine neue kaufen. Ich hab nur diesen einen Körper und der soll gesund alt werden, nur so kann ich meine Unabhängigkeit und Selbständigkeit bewahren.

Version 65.0 soll großteils reibungslos funktionieren und positive gesundheitsrelevante Gewohnheiten verinnerlicht haben. Vereinfacht ausgedrückt: der Schweinehund darf in die Hundeschule!

Landstraße statt Autobahn

Damit das funktioniert, stehe ich nicht mehr mit dem Bleifuß am Gaspedal, sondern fahre immer wieder bewusst runter von der Autobahn und wähle die Landstraße. Ich halte inne, steige aus und genieße die Landschaft. Pausen werden eingeplant und immer wieder nehme ich streckenweise BeifahrerInnen mit, die mir die Fahrtzeit durch ihr Sein bereichern.

Immer mehr werfe ich Ballast ab. Ich mustere meine Garage aus und entferne Dinge, die mir nicht mehr wichtig sind und die ich nicht mehr brauche. Ich schaffe Platz für neue An- und Einsichten und mit jeder losgelassenen belastenden Gewohnheit fühle ich mich leichter und freier.

Positive Fehlerkultur

Die Kunst im Hier und Jetzt zu leben, erfordert weniger materielle Besitztümer, als Mut und Achtsamkeit gegenüber den schönen – oftmals kostenlosen – Momenten des Alltags. Mut, auch mal auf die Schnauze zu fallen und sich dreckig zu machen beim Ausmisten. Und Humor, um über sich selbst lachen zu können.

Wie heißt das heute doch so schön? Positive Fehlerkultur leben – ja es ist ok Fehler zu machen! Weiterentwicklung resultiert nicht daraus, immer alles richtig zu machen. Erst wenn du Scheiße gebaut hast, prägt sich das so richtig tief ein. Glaube mir, wenn du beim nächsten mal vor einer ähnlichen Situation stehst, kannst du die rote Warnleuchte nicht übersehen und die Sirene schrillt so laut, dass du fast einen Tinnitus bekommst.

Bucket-List

Ich schreibe derzeit an meiner Bucket-List. Ich mache mir Gedanken darüber, was ich in diesem Leben noch so alles ausprobieren und erleben will. Oftmals merke ich, wie limitiert mein Geist doch ist, wie schwer es mir selbst jetzt noch fällt, meiner Phantasie freien Lauf zu lassen. Viel zu viele Jahre an Limitationen liegen hinter mir, die Zeit ist reif, sie aufzubrechen. Das ALTE ist noch nicht weg, das NEUE noch nicht da.

Welcher Mensch will ich sein? Wohin will ich mich entwickeln? Was lasse ich los und was darf noch kommen? Ich befinde mich in einem Zwischenraum des Träumens, des Visionierens, der Zwanglosigkeit, denn ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Jetzt ist die Zeit gekommen, in der ich mich selbst leben darf. Nun ja, nicht ganz. Die Pflege meiner Mutter bedeutet nach wie vor eine gewisse Einschränkung, doch ich habe mich bewusst dafür entschieden.

Weisheit des Alters

Das Zusammenleben mit einem alten Menschen bringt Bewusstmachung auf vielerlei Ebenen mit sich. Einerseits liebe ich es, von der Lebenserfahrung und Weisheit alter Menschen zu lernen. Gerade die Generation meiner Mutter, die unglaublich viel Veränderung erlebte, ist eine Fundgrube an Erkenntnissen.

Andererseits führt sie mir ständig die Dringlichkeit des JETZT vor Augen. Da wird kein Vorhaben mehr auf nächstes Jahr verschoben, maximal einen Monat bis die ärgste Hitzewelle vorbei ist. Genau so sollten wir jedoch auch handeln, wenn es um uns selbst geht.

Erkenntnisse bis zuletzt

Worauf kommt es wirklich an?

Wir können nichts mitnehmen, wenn wir diese Dimension verlassen. Nur unser persönliches Wachstum, das, was wir in unserem Bewusstsein gespeichert und wohin wir uns entwickelt haben, hilft uns über die möglicherweise schweren letzten Stunden. Bis zuletzt können wir Erkenntnisse erlangen, Zusammenhänge erkennen und Frieden schließen. Mit uns selbst und anderen.

Innere Gelassenheit, Selbstliebe, Selbstvertrauen, Resilienz – alles im Leben unterliegt ununterbrochenem Wandel, ist ein ständiger Fluss der Veränderung. Mal ist das Wasser ruhig und du siehst bis zum Grund, dann wieder tobt es beängstigend zwischen scharfkantigen Felsbrocken bis es sich in Form eines atemberaubenden Wasserfalls in die Tiefe stürzt. Du hältst gebannt den Atem an und schaust, wo die Wassermassen sich wieder beruhigen und idyllisch in die Landschaft eingliedern.

Das ALTE ist noch nicht weg, das NEUE noch nicht da. Von innen nach außen zu leben, bedarf wahrer Achtsamkeit.


Natürlich haben wir sechs Schreibfreundinnen auch diesmal wieder völlig unterschiedliche Zugänge zum Thema. Hier kannst du weiter lesen… Viel Spass!

Alex

Christine

Claudia

Marion

Susanne

2 Kommentare

  1. Liebe Evelyne, stark 🏋️!
    Deine Selbstanalyse ist eine tolle Motivation und Beispiel für mich. Danke ☺️
    Schmunzeln muss ich über den inneren Schweinehund, der jetzt in die Hundeschule darf 😊

    1. Ja liebe Christine, auch der Kerl darf sich weiter entwickeln und erkennen, dass die Regale zum Teil bereits sehr verstaubt und nicht mehr zeitgemäß sind…

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